Aufklärung

Was liegt denn dort auf der Ostertafel?

Kürzlich hatte ich fünf Freunde zu einem Oster-Kaffeetrinken zu Gast. Nachdem wir uns zunächst munter in Stimmung geschwatzt und -gemampft hatten, habe ich ein kleines Quiz veranstaltet. Ich holte den weiter unten abgebildeten Gegenstand hervor und bat die Anwesenden zu raten, worum es sich wohl dabei handeln könnte – nicht ohne vorher darum gebeten zu haben, bei Kenntnis der Lösung diese nicht laut kundzutun, um den Spaß für die anderen nicht zu verderben. Wie sich allerdings herausstellte, war die Befürchtung unbegründet, denn keiner der Gäste (drei Männer, zwei Frauen) hatte eine Idee. Es wurde in diverse Richtungen geraten, bspw. ob es sich um ein Modell von etwas Lebendigem handele, was schon mal in eine gute Richtung ging. Einer äußerte dann die Vermutung, dass es etwas mit Sexualität zu tun haben könnte, was der Sache am nächsten kam.

Um das Rätsel auch hier aufzulösen: bei dem Gegenstand handelt es sich um das Modell einer Klitoris. Das Unwissen über die Form und Größe dieses weiblichen Organs ist kein Zufall. Fast könnte man vermuten, es sei Programm. Oder genauer gesagt, systemimmanent. Oder noch genauer gesagt, bildungssystemimmanent. Denn warum wird unseren Kindern in der Schule zwar die Anatomie eines Penis im Detail erklärt, bei der Darstellung der Anatomie der weiblichen Genitalien die Klitoris jedoch meist auf ihren sichtbaren Teil, der nur einen Bruchteil ausmacht, reduziert?

Feldstudien im privaten Umfeld bestärken mich in der Behauptung, dass die meisten Erwachsenen den von außen sichtbaren Anteil schon für die vollständige Klitoris halten. Das ist jedoch nur die Klitoris-Eichel. Sie entspricht der Eichel des Penis, ist jedoch mit 10 mal mehr Sinnesrezeptoren versehen als dieser. Penis und Klitoris sind in etwa gleich groß, während ein durchschnittlicher Penis eine Länge von etwa 9 cm hat, ist eine durchschnittliche Klitoris etwa 11 cm lang. Nur liegt ihr überwiegender Teil eben innerhalb des Körpers. Wie am Modell erkennbar, umschließt ein großer Teil den Eingang der Vagina. Die Klitoris schwillt bei Erregung um etwa 30% an. Ein eingeführtes Glied wird also umfasst und bei Erregung quasi eingesaugt.

 

Das weibliche Pendant zum Penis ist übrigens auch nicht lediglich die Scheide (ein Hohlraum, also ein leeres Etwas, also im Grunde etwas Nichtexistierendes), ein Begriff, der häufig verwendet wird, um das komplette äußere Genital der Frau, d.h. die Vulva, zu bezeichnen. Apropos Vulva, interessant finde ich, was man in Svenja Flaßpöhlers Die potente Frau erfährt, nämlich dass die indogermanische Wurzel des Wortes Vulva vel ist, was „umrunden, wickeln, drehen“ bedeutet. Und diese Bedeutung steckt auch im Wort „Revolution“.

 

Dass diese Fakten bisher nicht nur nicht zum flächendeckenden Unterrichtsstoff in der Schule gehören, sondern auch nicht zur Standardausbildung von Mediziner*innen, führt bspw. bei Geburten immer wieder zu Verletzungen von Gebärenden, weil bei einem Dammschnitt der Schwellkörper der Klitoris angeschnitten wird. Dies wird von Gerit Sonntag etwa ab Minute 1:48 im unten eingebetteten Video veranschaulicht. Gerit Sonntag, meine Schwester im Geiste, hat im letzten Jahr den Magas-Verlag gegründet, der sich die Gleichstellung der Frau und insbesondere die respektvolle Behandlung des weiblichen Körpers auf die Fahnen geschrieben hat. Im Verlagsshop könnt ihr übrigens für Euren nächsten Party-Spaß mit didaktischem Hintergrund auch das Klitoris-Model für 11,11 Euro in verschiedenen Farben erwerben.

Nachdem ich in unserer Osterrunde das Rätsel aufgelöst hatte, hatte ich noch behauptet, es gäbe bislang kein Schulbuch, in dem die Klitoris angemessen dargestellt sei. Doch schnell war ich widerlegt, denn wie man 2 Monate alten Medienberichten entnehmen kann, gibt es mittlerweile drei Schulbuchverlage, die eine realistische Darstellung in ihre Lehrbücher aufgenommen haben.

 

Es geht voran!

Headerbild: Stillleben mit Klitoris

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