
Wenn alle das täten…
… dann gäbe es, wie Georg Kreisler schon 1974 erkannte, „keine Kriege mehr und keine Nationalbanken, und es würde rein gar nichts den Leuten passier’n.“
Ich habe es getan! Ich habe gekündigt. Seit 5 Tagen bin ich nicht mehr als Professorin tätig.
Genauer gesagt, konnte ich als (nunmehr ehemalige) Beamtin gar nicht kündigen, sondern musste um Entlassung bitten! Also hatte ich einen „Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit“ gestellt – und schätze mich jetzt glücklich, dass er – in einer atemberaubenden Geschwindigkeit von nur 7 Tagen – angenommen wurde.
In Nordrhein-Westfalen, dem Land, in dem die beiden Hochschulen angesiedelt sind, an denen ich über 17 Jahre als Professorin tätig war, haben Beamte, die freiwillig aus dem Dienst scheiden, einen Rentenanspruch in Höhe von 0 Euro. Ja, du hast richtig gelesen. Dies ist mir schon lange bekannt, und es hat mich nicht gestört, da ich schon sehr, sehr lange der Überzeugung bin, dass Deutsche in meinem Alter ohnehin keine Rente erhalten werden.
Für mich heißt es nun Kunst, Bitcoin und Freiheit, und mein Leben ist so spannend wie schon lange nicht mehr.
Darauf möchte ich mit dir und Georg Kreisler nun einen heben!
Nachtrag am Abend des 5. Juni:
Soeben habe ich noch einen Brief aus dem Briefkasten gefischt, in dem mir der aktuelle Rektor meiner letzten Uni das Abschiedsgeschenk macht, den Titel „Universitätsprofessorin“ weiter führen zu dürfen.
Ich stelle fest, dass mein Lebenslauf immer mehr dem Friedrich Schillers ähnelt. Lies‘ dazu seinen Lebenslauf in dem Beitrag Das verschleierte Bild zu Saïs.
Wenn alle das täten
Bleib’n Sie doch mal Ihrer Arbeit fern
Geh’n Sie stattdessen spazieren!
Wenigstens vormittags, das macht doch Spaß –
Schlafen Sie aus oder lesen Sie was!
Alles wird weitergeh’n ohne Sie
Sie würden gar nichts riskieren!
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Dann wär das ein schrecklicher Schlag!“
Ja – wenn alle das täten, dann hätten halt alle
Einen herrlichen Vormittag!
Wenn alle das täten, dann hätten halt alle
Einen herrlichen Vormittag!
Oder machen Sie grade Ihr Studium
Und macht das Studium Sorgen?
Na, jung und gesund sind Sie, das ist doch fein
Lassen Sie einfach das Studium sein!
Werd’n Sie verhungern? Bestimmt nicht gleich –
Heute verhungert man morgen!
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Wie soll unsre Welt dann florier’n?“
Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten
Dann würde halt niemand studier’n!
Aber sonst würde gar nichts, aber sonst würde gar nichts
Rein gar nichts den Leuten passier’n!
Deswegen geht die Welt doch nicht unter –
Sie geht eher unter, wenn’s so bleibt wie jetzt!
Mut macht erfinderisch, glücklich und munter –
Nur Angst macht uns hungrig, verwirrt und verhetzt!
Sein Sie doch nicht immer so angepasst
Tun Sie, was andere ärgert!
Andere rechnen, dass Sie sich bemüh’n
Ihnen die Kohl’n aus dem Feuer zu zieh’n –
Finden Sie Kohlen denn wichtiger
Als Ihr eigenes Leben?
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Dann würden sich viele doch grämen!“
Ja – wenn alle das täten, dann müssten halt alle
Mehr Rücksicht auf Andere nehmen!
Wenn alle das täten, dann müssten halt alle
Mehr Rücksicht auf Andere nehmen!
Wer sagt hier: „Es muss Ordnung sein!“?
Unordnung ist doch so heiter!
Nicht immer nützlich und schicklich sein
Einmal auch dumm, aber glücklich sein!
Fällt das elektrische Licht einmal aus
Singt man im Dunkeln halt weiter
Und wenn der neue Tag anbricht
Dann ist bestimmt wieder Licht!
Lassen Sie Ihre Karriere doch sein –
Wem soll die je etwas nützen?
Ja, Sie verdienen sich später einmal krumm
Aber bis Sie das Geld haben, ist die gute Zeit um!
Außerdem müssen Sie Tag für Tag
Schuften und schäumen und schwitzen!
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Dann läge die Menschheit ja brach!“
Ja – wenn alle das täten, dann dächte man über
Das Brachliegen etwas mehr nach!
Wenn alle das täten, dann dächte man über
Das Brachliegen etwas mehr nach!
Steigen Sie aus, und die Sorgen verschwinden
Wer stets zur Hand ist, den kann keiner finden
Ehrbaren Leuten ist schwer zu verzeih’n
Und der Verlässliche werkelt allein!
Werd’n Sie den morgigen Tag noch erleben?
Lieber am heutigen Tage einen heben!
Fortschritt ist tödlich und Geld keine Frau
Planung ist falsch und der Himmel ist blau –
Was nützt ein Eigenheim, wenn man nicht froh ist?
Weiß denn ein Meerschweinchen, was Rokoko ist –
Weiß denn ein Truthahn, warum er bestellt ist
Und weiß ein Mensch, warum er auf der Welt ist?
Glauben Sie mir: Das beste gegen Nixon oder Breschnew oder Strauß
Sie steigen aus, Sie steigen aus!
Leb’n Sie doch endlich im Sonnenschein –
Tot sind Sie erst als Gerippe!
Geh’n Sie nicht immer im gleichen Schritt
Machen Sie einfach den Tanz nicht mehr mit!
Sicher werd’n andere sauer sein –
Auch Sokrates hatte Xanthippe!
Sie werden sagen: „Wenn alle das täten
Dann würde ja nichts funktionier’n!“
Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten
Dann müssten wir improvisier’n!
Dann gäb’s keinen Krieg, keinen Autogestank
Keine schmutzigen Flüsse, keine Nationalbank
Kein Dies nicht, kein Das nicht – dann gäb’s eigentlich
Nur Menschen wie Sie und mich!

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2 Comments
Maik
…oder wie Helge Schneider sagen würde: „Huuuuuuuuuuuuuu“
https://www.youtube.com/watch?v=3MJf94_BJmM
Alles Gute!
Gabriele Peters
Huuuuuuuuu! Ja, klasse 🙂
Danke, Maik!